Adventfenster 24

WEIHNACHTSZAUBER

DER KLEINE IGEL IGOR

Der kleine Igel Igor wollte heuer keinen Winterschlaf machen, sich verkriechen. Er wollte einmal wissen, was zu dieser Zeit alles passierte, während alle Igel selig und ruhig ihr langes Schläfchen machten. Gerade vor ein paar Tagen hatte er ein Gespräch von Kindern belauscht, die von einem Christkind erzählten und einer Zeit, die offenbar ganz toll sein musste. So stark hatten ihre Augen geglänzt, als sie von allem rund um diese Zeit berichtet hatten. Und so schlich sich Igel Igor heimlich, still und leise wieder aus seinem Schlafquartier hinaus, als seine Eltern und Geschwister schon tief eingeschlafen waren. Leicht war es nicht gewesen, das ihn einholende Schlafbedürfnis zu übertauchen, die Augen nur zum Schein zu schließen. Aber er hatte es geschafft und war sehr stolz darauf. Jetzt konnte es losgehen. Das Abenteuer begann. Hui, war das spannend! Er trottete zu seinem Lieblingsplatz unter der großen Eiche und wartete ab, was passierte. Schon bald stellte er fest, dass er mit so einigem nicht gerechnet hatte. Es wurde kalt, bitterkalt. Es wurde immer schwieriger, Futter zu finden. Oft musste er ziemlich hungern. Der Wind blies immer stärker, es regnete manchmal und dann plötzlich fielen große, weiße Flocken vom Himmel. Igel Igor staunte nicht schlecht. Was war denn das? So etwas hatte er noch nie erlebt. Er ging ganz vorsichtig ein paar Schritte vor und stand nun mitten im Schneetreiben. Langsam und leise fielen viele Flocken auf ihn herab, küssten seine süße Stupsnase und umhüllten den Rest seines Körpers. Das fühlte sich irgendwie lustig an. Die Flocken waren gar nicht schwer, aber etwas nass. Mit der Zeit bedeckten viele Schneeflocken Igel Igor, äußerlich war er eigentlich nicht mehr als Igel zu erkennen. Nur mit Mühe gelang es ihm, sich die Augen frei zu halten und noch etwas zu sehen. Als er merkte, dass ihm langsam kalt wurde, hielt er Ausschau nach einer trockenen Unterschlupfmöglichkeit. Als er diese lokalisiert hatte, trottete er darauf los. Es war ziemlich mühsam, mit seinen kurzen Beinchen vorwärts zu kommen, da auch schon ein wenig Schnee den Boden bedeckte und er so viel Kraft aufwenden musste, um überhaupt gehen zu können. Und dann, knapp vor dem Ziel, musste er erkennen, dass er feststeckte. Es war ihm nicht mehr möglich, weiter zu kommen. Au weia….Was sollte er nun machen? Da war guter Rat teuer…Igel Igor bekam langsam Angst. Was würde mit ihm werden? Es war so kalt hier und er hatte wirklich keine Chance, sich weiter zu bewegen. Oje, oje. Wäre er doch bei den anderen im Schlupfloch geblieben. Aber jetzt war es zu spät. Ganz verzweifelt stand der kleine Igel Igor mitten im Schnee und eine große Träne kullerte aus seinem linken Auge.

Plötzlich hörte er ein Geräusch, das auf ihn zukam. Und dann berührte ihn etwas ganz neugierig. Es war ein weißer, kleiner Hund, der ihn beschnupperte und offensichtlich ganz verwundert darüber war, unter dem Schnee einen kleinen Igel zu entdecken. „Was machst du denn da mitten im Winter? Schläfst du denn nicht?“, meinte er. Igel Igor erzählte ihm von seinem Vorhaben. Der Hund meinte daraufhin: „Also, hier kannst du auf keinen Fall bleiben, sonst erfrierst du. Ich werde mein Herrchen herlocken und hoffe, er nimmt dich mit nach Hause. Ich bin übrigens Flocke.“ Und schon sauste er in Windeseile davon und bellte ganz aufgeregt. Igel Igor hörte, wie er sich immer weiter entfernte. Ob er wirklich wiederkommen würde? Er hoffte es jedenfalls sehr. Er war seine einzige Rettung. Mittlerweile war es ja auch noch dunkel geworden und offensichtlich war heut niemand hier im Park.

Dann war es still. Unheimlich still. Kein Gebell. Kein Geräusch. Einfach nur Stille. Igel Igor fröstelte es sehr. Er hatte wahnsinnigen Hunger. Er war wirklich in einer misslichen Lage. Es gab kein Entrinnen. Irgendwann war er zu erschöpft und schlief ein.

Um einiges später wurde er durch ein Bellen und eine Stimme geweckt. Oh, wie sehr freute er sich, als er Flocke wiedererkannte. Er war tatsächlich zurück gekommen. Und mit ihm auch ein Herrchen, das mit einer Taschenlampe auf ihn leuchtete. „Ach, du meine Güte“, sagte dieser, „ein Igel mitten im Winter! Hier kannst du auf keinen Fall bleiben, Kleiner. Ich werde dich mit nach Hause nehmen. Die Kinder freuen sich sicher. Super, Flocke, dass du nicht aufgegeben hast und so hartnäckig warst, um mich hierher zu bringen! Komm, wir gehen nach Hause!“ Und dann hob er Igel Igor vorsichtig mit seinen Handschuhen auf und trug ihn nach Hause.

Dort angekommen ging er mit ihm in den Heizraum, stellte einen Karton mit Stroh auf den Boden und setzte Igel Igor hinein. Und dann, zur größten Freude, kam der Herr wenige Minuten später wieder und brachte ihm ein paar Apfelspalten, Mannerschnitten und Wasser. Oh, Igel Igor, traute seinen Augen kaum. Er stürzte sich förmlich auf das Essen und verschlang alles im Handumdrehen. „Na, du warst ja mächtig hungrig“, meinte der Mann und lachte. Im nächsten Moment rief er: „Hannah, Tim, kommt mal her, ich muss euch etwas zeigen!“

Und so erschienen die Kinder und staunten nicht schlecht über den Familienzuwachs. „Super, Papa, dürfen wir ihn behalten? Er ist sooo süß!“ „Na, ja, er wird zumindest bei uns überwintern, dann werden wir ihn schon wieder in seine Umgebung zurück bringen. Bis dahin vergeht ja noch viel Zeit und ihr könnt ihn ein bisschen pflegen. Aber lasst ihn sich hier erst mal ein bisschen angewöhnen. Das alles ist sicher sehr aufregend für ihn.“

Und schon bald verschwanden alle und ließen ihn in seinem neuen Zuhause zurück. Igel Igor war richtiggehend erleichtert, bei diesen netten Menschen zu sein. Sie würden sich gut um ihn kümmern, das spürte er. Er hatte großes Glück gehabt, dass ihn Flocke gefunden hatte. Er schlief bald ein und merkte gar nicht, dass er nun doch in einen wohligen Winterschlaf verfiel.

Er wachte nicht einmal auf, als ihn die Kinder am 24. Dezember vorsichtig in der Schachtel nach oben trugen, um mit ihm gemeinsam die Bescherung des Christkindes zu erleben. Ihr neuer kleiner Freund durfte doch bei diesem großen Moment nicht fehlen. Und er sollte an diesem Abend auch nicht allein im Keller sein. Weihnachten war doch ein Fest der Liebe und der Freude. Hannah und Tim legten Igel Igor sogar einen kleinen Tannenzweig mit einer goldenen, kleinen, glänzenden Kugel in die Schachtel und stellten ihn damit dann wieder in den Keller, als sie auch schlafen gingen.

Als Igel Igor ein paar Tage später einmal kurz die Augen öffnete, roch er den wunderbaren Duft des Tannenzweiges und meinte, im Spiegelbild der Kugel seinen Zwillingsbruder Kasimir zu erkennen. Und weil er so müde war, schlief er sofort weiter. Schließlich war alles gut.

Erst als es wirklich Frühling wurde und er seinen Winterschlaf beendete, staunte er nicht schlecht über die goldene Kugel, die auf dem grünen Tannenzweig lag. So etwas hatte er noch nie gesehen. Er beschnupperte sie vorsichtig und rollte sie ein wenig mit der Nase hin und her. Sie glänzte ganz wunderbar und immer wieder entdeckte er sich darin neu. Hannah und Tim freuten sich, als sie merkten, welche Freude der kleine Igel offenbar mit seiner Weihnachtskugel hatte und so ließen sie ihm das Spielzeug, obwohl die Zeit ja nun schon lang vorbei war. Bald würden sie ihn ohnehin wieder nach draußen in seinen Park bringen müssen. Wie schade! Aber Papa hatte ihnen gesagt, dass sie ihn schließlich zurück zu seinen Freunden bringen müssten, die ihn sicher schon vermissten.

Drei Tage später trugen sie ihn dann wieder an die Stelle im Park zurück, wo Flocke ihn vor ein paar Monaten gefunden hatte. Hannah und Tim waren ein wenig traurig. Aber als sie sahen, wie freudig Igel Igor wieder im Gras lief, wussten sie, es war an der Zeit, Abschied zu nehmen und den kleinen Igel als schöne Erinnerung im Herzen zu bewahren.

Igel Igor rannte den ganzen Tag heiter durch die Gegend, erkundete alles, was sich ihm in der Freiheit wieder bot. Und plötzlich sah er nahe der großen Eiche seinen Papa stehen, der ganz genau die Umgebung mit seinen Augen absuchte. „Papa!“ schrie Igel Igor und lief ihm freudestrahlend entgegen. Dieser schloss ihn fest in seine Arme und meinte: „Bin ich froh, dass ich dich endlich gefunden habe und du noch lebst! Komm mit, ich bring dich nach Hause!“

Igel Igor war der Star des Tages und er war sehr froh, wieder bei seiner Familie zu sein. Er hatte sie vermisst. Sehr sogar. Und als sie ihn fragten, wo er denn gewesen sei und was er erlebt hatte, da schmunzelte er und meinte: „Ich habe das Christkind gesucht und gefunden. Es riecht wunderbar und schenkt Wärme und Geborgenheit. Es hat mir das Gefühl gegeben, nicht allein zu sein. Es sieht aus wie wir, trägt aber ein goldenes Kleid, das funkelt wie tausend Sterne in der Nacht. Wenn man es ansieht, ist man wie verzaubert, weil man in ihm die Liebe wiederfindet, die einem gerade fehlt. Ich kann gut verstehen, warum die Kinder sich so auf das Christkind freuen. Es hat die Fähigkeit, Herzenswünsche zu erkennen und tut alles, um sie wahr zu machen. Herzenswünsche zu erfüllen ist, wie ihr wisst, ja sehr schwierig. Nur die Augen der Liebe können die Farben der Sehnsucht erkennen und aus diesen ein passendes Bild zusammenfügen.“

Der kleine Igel Kasimir lauschte ganz aufgeregt und dachte bei sich: „Nächstes Jahr werde ich mich auch auf die Suche nach dem Christkind machen. Das scheint etwas ganz Besonderes zu sein.“

Igel Igor dachte vor dem Schlafengehen noch einmal ganz intensiv an Flocke, den Mann, Hannah und Tim. Ohne sie könnte er jetzt nicht hier sein. Wie gut, dass sie ihm eine Chance gegeben hatten, dass sie einfach für ihn da waren.

Ja, es ist gut, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen und mit dem Herzen zu handeln.

EIN FROHES, BERÜHRENDES WEIHNACHTSFEST!

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